Autor: Christine Koschmieder

Ich heiße Christine Koschmieder und bevor ich mich in Aken verliebt habe, war Leipzig meine Lieblingsstadt. Dort habe ich Theaterwissenschaft studiert, die Agentur Partner + Propaganda gegründet, drei Kinder großgezogen, als Fundraiserin gearbeitet, drei Bücher geschrieben und zwei übersetzt, unzählige Veranstaltungen moderiert und mindestens genau so viele Altbauwohnungen renoviert. Es wundert also niemanden, der mich kennt, dass ich mir nach 27 Jahren Leipzig die nächste Großbaustelle an Land gezogen habe. Ein altes Schifferhaus in Aken. Denn Aken hat etwas, das Leipzig nicht hat. Einen großen Fluss, der da einen Haken schlägt. Eine Gierseilfähre, die auf die andere Elbseite führt. Schafherden am Elbufer, zwischen denen ein Storch herumstolziert, als gehöre nichts selbstverständlicher in eine Schafherde als ein Storch. Eine Stadt, die sich nicht für dumm verkaufen lässt, wenn es einer Landesregierung und einem Flutminister bequem wäre. Und noch so einiges mehr, das erzählt werden will. Ein guter Ort für eine, die von Geschichten lebt.
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Wir brauchen ORTE

Ich habe so viele Jahre gedacht, ich müsste nur die richtigen Worte finden. Worte, die überzeugen. Worte, die Menschen zum Handeln veranlassen. Worte, die Menschen zum Umdenken bringen. Aber nicht nur das Internet ist zu voll mit Worten, die Welt da draußen ist es auch. Was hingegen manchmal fehlt, sind Orte. Orte, um sich zurückzuziehen. Nachzudenken. Beisammen zu sein. Sich sicher zu fühlen. Neues auszuprobieren.

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Raus aus dem blaugelben Bällchenbad – Solidarität gilt Menschen, nicht Nationen

Ich ersticke an Blau-Gelb. Menschen sind nicht blau-gelb. Und europäische Werte kein Identitätsmerkmal. Menschen sind Kriegstreiber, Kriegsprofiteure, Kriegsbefürwortende oder Kriegsopfer, Angreifer oder Angegriffene, Militär oder Zivilbevölkerung, aber eben auch Kriegsgegner:innen im Kriegstreiberland. Einer Solidarität, die sich ausschließlich von einer Herkunft, einer Staatszugehörigkeit leiten lässt, stünde eine Solidarität entgegen, wie sie ein Freund beschreibt: „Festhalten an dem, was es nicht gibt: antinationale Solidarität mit den Menschen, nicht mit Staaten, Mächten, Männern.“

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Im Tal der Helden

Wir machen Urlaub in einem Land, in dem es einen Unterschied macht, in welcher Hälfte des Landes man für seine Sprachkenntnisse gelobt wird. Wo die Verkäuferin im Minimarkt mein Serbisch lobt und ich es nicht fertig bringe, ihr zu sagen, dass ich nicht Serbisch spreche, sondern Bosnisch. Und dass es Zeiten gab, in denen sie ’nas jezik‘, unsere Sprache, gesagt hätte.

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Das Land des staatlich verordneten Antifaschismus, meine Schwiegermutter und die Helden meiner Kindheit

Vor 27 Jahren bin ich in ein Land namens Ostdeutschland gezogen. In ein Land, dessen BewohnerInnen immer wieder betonen, dass in ihrer Hälfte der Antifaschismus zuhause war – anders als in dem Land namens Westdeutschland, aus dem ich komme. Ich war dankbar, in diesem Land aufgenommen zu werden, in dem ausschließlich AntifaschistInnen lebten.

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Auf dem Bitterfelder Weg zum Schreibworkshop

Im April 2020 kursierte dieses Buchstabenrätsel bei Twitter: The First 3 Words You Find Are The First Three Things You Will Get After The Quarantine. – Die ersten drei Worte, die ich gefunden habe, waren Travel, Nachos, Marriage. Aber als Realistin war mir klar, dass vor den Nachos noch jede Menge Baustaub liegt. Und so lauten meine drei Begriffe für November – Januar: Lehmbau, Gipsputz, Maueröffnung.